Arno Schmidt Weblog

Freitag, August 02, 2002

"Gipfeltreffen!? Uwe Johnson begegnet Arno Schmidt". In:
Johnson-Jahrbuch, Band 9/2002, S. 25 - 46. Hieraus das folgende so
aufschlußreiche wie niederschmetternde Zitat aus den Aufzeichnungen Uwe
Johnsons nach Arno Schmidts Besuch in Berlin im März 1964 (Entgegennahme
des Fontane-Preises):


"Ein gewisser Schmidt aus Bargfeld wird für den Fontane-Preis
vorgeschlagen. Schon morgens tritt er wie körperbehindert aufrecht und
steif zu dem Frühstück, das andere Schriftsteller ihm gerichtet haben,
wie für ewig schlägt er altmodisches Hosenbein übers andere, bleibt eine
Stunde so sitzen, wehrt mürrisch allen Versuchen mit ihm zu sprechen,
blickt aus dem Fenster, ihm missfällt schon diese Veranstaltung. Bei der
öffentlichen bleibt er steinern, kehrt mit dem ungefügen Dokument im Arm
zu seinem Platz zurück wie jemand der keine Erfahrungen mit Kindern hat
und davor sich ekelt. Beim Mittagessen erschöpft er alle
Liebenswürdigkeit und möglichen Gesprächsthemen von GG [= Günter Grass],
läßt ihn strampeln, kann nicht hören, nicht antworten, ist von dieser
Welt nicht. Abends beantwortet er die freundliche Frage Anderschs nach
der vorgesehenen Unterteilung des neuen Buches in sechs Spalten (drei
Ebenen, sechs Sprachen) mit der Zurückweisung: ob man hier etwa die
Welträtsel lösen wolle. Ungeachtet öffentlich geäußerten Stolzes auf die
geringe Zahl seiner Leser lässt er jetzt seinen Verleger klagen über das
allerdings bornierte Zurückweichen einiger Zeitschriften vor
Schmidt-Texten; betont die höheren Einkünfte der anwesenden Freunde:
Wenn seine Frau anfängt von einr Rundfunkvorlesung in Frankfurt, schlägt
sie sich doch gleich auf den Mund, und Schmidt blickt dumpf erbost, und
sein Verleger gibt ihm die Absicht mit deutlicher Grosszügigkeit frei;
dann wirken beide wie Leibgarde und Sekretariat eines gealterten und
verarmten Prätendanten. Die Frau redet unablässig Blödsinniges: mal
trinkt mein Mann, mal trinkt er nicht, mal isst er, mal will er gar
nichts; er lässt über sich Auskünfte geben. Spitzwort möglich: Der
Träger seines Gehirns. Die Frau darf nicht Auto fahren lernen, weil sie
einem Spatzen auf der Strasse zuliebe die deutsche Literatur opfern
würde. Zusammenhängend spricht er nur, aber sehr nervös gegen
Zwischenfragen und Unterhaltung am andern Tischende, über seine
Arbeitsweise. Er macht das also mit Zetteln, wie bekannt. Und, auf die
Mistgabel gestützt, verbrennt er sie danach am Zaun. Wer ihm die
stiehlt, ist angeblich ein gemachter Mann. Und erbeutet der dazu noch
die grosen Pläne der nächsten Werke, könne er sie sogar ähnlich wie
Schmidt verwirklichen, obwohl gewiss der letzte Glanzschliff fehlen
werde. Bei Vertraulichkeiten, etwa dem Lob eines Wörterbuchs, hat er
eine pubertär unsichere, nahezu errötende Art. Spricht über eine
Umsiedlung in die ddR mit jämmerlicher Unkenntnis, aber entschieden den
roten Terror vorzuziehen. Unfähig zu kollegialem Verhalten, unfähig zur
Verständigung, wahrscheinlich krank."


Dienstag, Juli 30, 2002

Die ASml-News Nr. 16 sind erschienen & online:
http://www.damaschke.de/as/news.ArnoSchmidt.shtml

Morgenweb: Wo Karl Mays Quelle munter sprudelte (26.07.2002) Wo Karl Mays Quelle munter sprudelte

LITERATUR: Rudi Schweikerts fröhliche Wissenschaft
(Mannheimer Morgen)


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